Stresstest und Entlastungspaket III

von

Am Montag haben die vier Übertragungsnetzbetreiber die Ergebnisse der Sonderanalysen Winter 2022/2023 („Stresstest“) veröffentlicht.

Die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Auftrag gegeben Untersuchung können Sie über diesen Link abrufen. Die Besonderheit dieser Sonderanalyse im Vergleich zu den vorherigen Analysen waren die Berücksichtigung von drei verschiedenen Szenarien, um auch aktuelle Entwicklungen in europäischen Strommarkt abbilden zu können.

Die beiden kritischen Szenarien basieren auf folgenden Eingangsparameter:

  • Reduzierte Verfügbarkeit von Kernkraftwerken in Frankreich (40 GW statt 61 GW)
  • Reduzierte Leistungsbereitstellung aus Netzreserve und Sicherheitsbereitschaft (4,6 GW statt 6,1 GW)
  • Zusätzlichen Lasten durch Heizlüfter (2,5 GW)
  • Verfügbarkeit der Netzreserve sinkt auf 50% (3 GW)
  • Hohe Gaspreise (300 EUR/MWh)

Die wesentlichen Ergebnisse aus den untersuchten Szenarien haben wir zusammengefasst und werden sie in unserer nächsten Ausschusssitzung Energiewirtschaft am 13. Oktober intensiver diskutieren.

Leistungsbilanz
In allen betrachteten Szenarien zeigt sich die Versorgungssituation im kommenden Winterhalbjahr äußerst angespannt. In Europa kann im Strommarkt die Last nicht vollständig gedeckt werden.

In den kritischeren Szenarien treten in einigen Stunden Lastunterdeckungen auch in Deutschland auf.

Netzsicherheit
Zum Management von Netzengpässen reichen die inländischen Redispatch-Potenziale in keinem der drei Szenarien aus. Es wird mindestens 5,8 GW gesichertes Potenzial im Ausland benötigt, davon werden 1,5 GW über eine Redispatch-Kooperation mit Österreich vorgehalten.

Empfehlungen der Übertragungsnetzbetreiber

Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs- und Transportkapazitäten

  1. Transportkapazitäten erhöhen
  2. Redispatch-Potential im Ausland in den Fokus nehmen
  3. Vertragliches Lastmanagement: Kurzfristige Potenziale müssen gehoben werden.
  4. Reserven für Stresssituationen breiter nutzbar machen: Sämtliche Reserven (auch Netzreserve und besondere netztechnische Betriebsmittel) müssen für die bilanzielle Lastdeckung und den Redispatch nutzbar gemacht werden.
  5. Nutzung weiterer Kraftwerkskapazitäten in Stresssituationen absichern:
  6. Marktrückkehr der Kohlekraftwerke aus der Reserve erleichtern (Genehmigungen, Kostenanerkennungen/Kostenübernahmen).
  7. Alle in einer Stresssituation notwendigen Gaskraftwerke müssen gesichert mit Gas versorgt werden.
  8. Verfügbarkeit der Kernkraftwerke ist ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen.

Für alle Empfehlungen sind kurzfristig gesetzgeberische Tätigkeiten oder hoheitliches Handeln erforderlich.

Sollten all diese Maßnahmen nicht ausreichen, müssten als Ultima ratio Exporte beschränkt oder Großverbraucher kontrolliert und temporär abgeschaltet werden, um die Netzsicherheit aufrecht zu erhalten.

Entlastungspaket III

Die Bundesregierung hat am 5. September die Inhalte des dritten Entlastungspaketes veröffentlicht. Insgesamt 65 Milliarden sollen zur Entlastung der Bürger und Bürgerinnen aufgewendet werden. Die Entlastungen für die Wirtschaft sind unzureichend und betreffen nur wenige Branchen und Bereiche.

Zufallsgewinne“ von Stromproduzenten sollen teilweise abgeschöpft werden. Die Bundesregierung versteht darunter die Marge zwischen den niedrigen Stromerzeugungskosten aus Erneuerbaren Energien, Kohle- und Kernkraftwerken und den hohen Strombörsenpreisen. Weitere Details sollen am 9. September in einer Sondersitzung der EU-Energieminister beraten werden.

Kostendämpfung bei den Übertragungsnetzentgelten. Investitionen in den Ausbau der Übertragungsnetze und die stark gestiegenen Redispatch-Kosten werden zu einem starken Anstieg der Netzentgelte führen. Dies soll durch die Einnahmen aus den Zufallsgewinnen gedämpft werden.

Die Erhöhung des CO2-Preises um 5 EUR/t ab dem 01.01.2023 wird um ein Jahr verschoben.

Das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) soll bis zum Jahresende verlängert werden und auf Unternehmen, die nicht auf der KUEBLL-Liste stehen, erweitert werden. Das aktuelle BAFA-Merkblatt stammt noch vom 26.08.2022, wird jedoch laufend aktualisiert.

Unterstützung des Staates bei der Finanzierung der stark gestiegenen Kosten für Sicherheitsleistungen (Margin) bei Börsengeschäften. Das vorhandene Programm aus dem Entlastungspaket II bietet KfW-Kredite für Margins an den Terminmärkten (Strom, Erdgas und Emissionszertifkate) an. Restriktive Zugangsvoraussetzungen führten dazu, dass das Programm für die Energiewirtschaft nicht sehr attraktiv war.

Bewertung

Die Bundesregierung und die zuständigen Bundesministerien haben die Brisanz der hohen Energiepreise auf Wirtschaft und Gesellschaft erkannt. Die zahlreichen Lösungsvorschläge gehen leider zwei wesentliche Ursachen nicht an.

Das Strommarktdesign ist für einen Energy-Only-Market mit einer Strompreisbildung auf Basis deiner Merit Order entwickelt worden. Das Modell wurde konzipiert, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien anzureizen und teure Kraftwerke aus dem Markt zu drängen. Weder die Bereitstellung von gesicherter Leistung noch die Verdrängung von durch teure Spitzenlastkraftwerke (Gas, Öl) wurde erreicht.

Die zunehmende Überregulierung und der Aufbau von Bürokratie verzögert und behindert Investitionen – insbesondere in den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien, Speicher, Reservekraftwerken und Energienetzen und auch bei Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette der Solar- und Windkraftbranche tätig sind.

Die gewünschte und notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einem treibhausgasneutralen System wird mit den aktuellen Aktivitäten nicht beschleunigt.

Eine sehr hohe Priorität sollten staatliche Garantien für Sicherheitsleistungen (Margins) an Termin- und Spotmärkten bekommen. Dies muss sowohl für den Handel an Börsen (EEX, EPEX) wie auch im außerbörslichen Handel (OTC) gelten. Die Handelsabteilungen der Energievertriebe müssen ihre Handelsgeschäfte inzwischen bis zu 100% absichern und damit Sicherheiten in Milliardenhöhe bereitstellen. Die Folgen: Neukundenakquisition wurde inzwischen weitgehend eingestellt und selbst bei Bestandskunden außerhalb des Grundversorgungsgebietes werden keine Nachfolgeangebote mehr gelegt.

Das es bereits seit mehreren Wochen keinen liquiden Markt für Strom und Gas gibt, steigt das Risiko, dass nicht nur Privat- und Gewerbekunden, sondern auch leistungsgemessene Kunden in die teure Grundversorgung bzw. Ersatzversorgung fallen oder sich zu 100% am Spotmarkt eindecken.

Energiepreisentwicklung

Die Strom- und Erdgaspreise befinden sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau auch wenn die Notierungen seit dem historischen Höchststand vom 26.08.2022 sich in einem Abwärtstrend befinden. Der Strompreis liegt für das Lieferjahr 2023 in Abhängigkeit von der Verbrauchsstruktur zwischen 60 und 62 ct/kWh. Bei Erdgas liegt dieser Wert für 2023 bei rund 21 ct/kWh.

 

Strom-Terminmarkt Base- und Peakload seit dem 01.06.2022

Erdgas-Terminmarkt seit dem 01.06.2022

Zurück